Wasserstoff: Hamburg gibt Europa den Takt vor

(Download durch Klick aufs Bild / Hafenlichter / LOOK Bildagentur der Fotografen)

Für Michael Westhagemann, Hamburgs Senator für Wirtschaft und Innovationen, ist er „der Schlüssel zur Klimaneutralität“ und der Wissenschaftler Michael Fröba ist gar überzeugt, dass es ohne ihn keine Energiewende geben wird. Die Rede ist von grünem Wasserstoff, dem Treibstoff und Energiespeicher der Zukunft. Während die EU die Wasserstoffwirtschaft mit 470 Milliarden Euro fördert und die  Bundesregierung an der „Wasserstoffrepublik Deutschland“ arbeitet, schickt sich Hamburg an, in dieser Republik, wenn nicht gar in Europa die Hauptstadt zu werden.

Das Potenzial ist groß: Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum. Er ist nicht nur Bestandteil des Wassers, sondern beinahe aller organischen Verbindungen. Wasserstoff ist also nahezu unbegrenzt verfügbar, sofern genug Energie bereitsteht, ihn herauszulösen. Das Problem: Da er nur in Form von Verbindungen vorkommt, muss er mit Hilfe von Energie aus einem Ausgangsstoff abgespalten werden. Bislang wird vor allem so genannter Grauer Wasserstoff gewonnen – aus fossilen Brennstoffen, vor allem Erdgas. Die Zukunft gehört aber dem Grünen Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser hergestellt wird. Und dabei kommen erneuerbare Energien zum Einsatz.

Deshalb ist Norddeutschland mit seinen starken Windkraft-Ressourcen für die „Wasserstoffrepublik Deutschland“ so wichtig. Und Hamburg steht mit seiner starken Infrastruktur und seinem Hafen im Zentrum. Entgegen sprichwörtlicher hanseatischer Zurückhaltung wird geklotzt und nicht gekleckert.

Einige herausragende Beispiele, was gerade in Hamburg passiert:

  • Im Hafen plant Hamburg Wärme zusammen mit den Unternehmen Shell, Vattenfall und Mitsubishi Heavy Industries (MHI) die aktuell weltweit größte Anlage für Wasserstoff-Elektrolyse mit einer Leistung von 100 Megawatt. Die Anlage könnte nach Schätzungen zwei Tonnen Wasserstoff pro Stunde produzieren. Damit könnte ein Auto 200.000 Kilometer weit fahren.
  • Zudem entsteht ein eigenes Leitungsnetz. Zusammen mit der städtischen Gesellschaft Gasnetz Hamburg bereitet Hamburgs Umweltbehörde eine klimaneutrale Energieversorgung großer Industriebetriebe im Hafen vor. Das „Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz“, kurz: HH-WIN, mit 45 Kilometern Länge südlich der Elbe soll bis spätestens 2030 die energieintensive Stahl-, Kupfer- und Aluminiumindustrie dort mit grünem Wasserstoff versorgen.
  • Hamburg hat sich mit vier anderen norddeutschen Bundesländern (Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen) zur Norddeutschen Wasserstoffallianz zusammengeschlossen, um die Versorgung möglichst aller interessierten Abnehmer zu ermöglichen. So sollen neun Schlüsselbranchen mit Wasserstoff versorgt sein und bis 2025 in Norddeutschland mindestens 500 Megawatt installiert werden – also das Fünffache an Leistung der weltgrößten Elektrolyse-Anlage. Ziel ist der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft, deren Effekte über den Norden hinausreichen. Die Küstenländer punkten hier mit ihrem starken Ökosystem, besten Standortbedingungen und Förderprogrammen. Ein weiteres Plus für die Region: Die Spitzenforschung, Norddeutschland ist Europas Denkfabrik für die Wasserstoffwirtschaft. Die Fördersumme der Allianz beträgt 9 Mrd. Euro.
  • Nicht nur im Hafen fährt Hamburg auf Wasserstoff ab: Die Hamburger Hochbahn, unter kommunalen Verkehrsbetrieben ein Vorreiter bei der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe, wird in einem ersten Schritt bis zu 50 Wasserstoff-Busse anschaffen.
  • Und natürlich ist Wasserstoff in Hamburg auch in der Luft ein Thema: Zum einen entwickelt der in der Hansestadt ansässige Flugzeugbauer Airbus einen Wasserstoff-Flugzeug. Zum anderen investiert der Hamburger Flughafen kräftig in den Hoffnungsträger der Energiewende, um eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Die Fahrzeuge am Airport sollen künftig vor allem mit Wasserstoff betrieben werden. Ob der Flughafen sogar eine eigene Elektrolyseanlage zur Herstellung bekommt, wird geprüft. Schließlich müssen die Wasserstoff-Flieger auch betankt werden.

Nicht nur Hafen, Airport und Unternehmen machen Hamburg als Wasserstoff-Standort so wichtig, auch die Forschung spielt vorne mit. So wird im Helmholtz-Zentrum im benachbarten Geesthacht an einem neuartigen Speicher für Wasserstoff gearbeitet, der auch in Autos eingesetzt werden könnte.

Für Senator Westhagemann hat das Klimaabkommen von Paris von 2015, in dem sich die Unterzeichner für eine Begrenzung der Erderwärmung ausgesprochen haben, wie ein „Turbolader“ für den Grünen Wasserstoff gewirkt. Die Ziele von Paris seien in Industrie wie auch Mobilität gar nicht anders zu erreichen als mit Wasserstoff. Der Senat sieht die Bedeutung von Hamburg und Norddeutschland weit über die „Wasserstoffrepublik Deutschland“ hinaus. Die Küstenregion, so Westhagemanns Vorstellung, soll eine vernetzte Infrastruktur für ganz Nordeuropa aufbauen. Das Thema sei aus der Nische herausgetreten und Hamburg spiele dabei eine entscheidende Rolle. Seine Forderung an alle Stakeholder: „Schneller werden, die Dynamik nutzen, ambitionierte Ziele setzen.“ Das Potenzial sei riesig, das Fundament breit: „Wissen, Fachkräfte, Unternehmen, in Hamburg ist alles da.“